Anarchist Angel's Gedankenwelt

Tagebuch: Kontrolle am Alex

Vorwort

Diese Geschichte ist genau so geschehen.


Rolltreppen werden zunehmendest mein Nemesis. Gefühlt jedes zweite mal wenn ich nach ausgiebigem Streunen zu müd für die normalen, sich nicht bewegenden Treppen bin, und mich auf der Rolltreppe platziere, steht am anderen Ende oder direkt hinter mir die Bullizei. Jedes verdammte mal dieses Gefühl völliger Hilflosigkeit, wenn drei Uniformierte das Rolltreppenende abschirmen und nur knapp die Leute vor mir durchlassen und ich genau weiß: Wenn ich gleich vorbeigehen will schallerts “Halt” oder mich packt gleich wer an. So ein gemütliches Minütchen auf die drei Hansel zufahren, deren Blick ich versuche nicht zu direkt zu erwidern, die aber ganz unverhohlen mich anstarren. Heute aber ging’s. Ich wollte sehn ob Kollegen am Alexanderplatz anzutreffen sind, ich schaue dort gern öfter vorbei um eine alte Bekannte zu finden, zu der ich seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte und von der ich dachte, dass sie tot sei bis eine Spiegel-Reportage sie im fernsehen zeigte. Ich fragte ein paar Bekannte und sie soll wohl noch öfters am Alex anzutreffen sein. So stieg ich aus der S-Bahn und betrat die verhängnisvoll schwebenden Stufen. Quasi direkt nach dem Schritt darauf sehe ich unten drei Beamte. Ich murre vor mich hin, genau wissend wer der etwa zwanzig Personen auf der Rolletreppe gleich angehalten wird. Die ersten laufen an ihnen vorbei, und gerade bin ich an der Reihe mich durchzuzwängen, da..

POL1: “Halt!”

Ich: “Ich trag’ die richtige.”
Ich zog mein schwarzes Tuch herunter, um die FFP2 Maske zu zeigen. Der Anlass der letzten Kontrolle war, dass ich fälschlicherweise nur eine OP Maske trug, in einem Bereich Berlins der FFP2-Only war.

POL1: “Die richtige was?”
Ich: “Maske.”

POL1: “Achso. Darum gehts nicht.”

Ich: “Worum geht’s dann?”

POL1: “Das sagt ihnen der Kollege später, zeigen Sie Ihren Ausweis.”

Ich zeige meinen Ausweis.

POL2:" Ziehen sie mal die Maske ab, damit der Kollege abgleichen kann."

Ich ziehe die Maske ab und wieder auf.

POL2: Haben Sie gefährliche oder verbotene Gegenstände bei sich?

Ich habe keine verbotenen Gegenstände bei mir, aber mein Messer. Ist die Antwort jetzt “Nein” oder “Ja”?

Ich: “Eigentlich nicht.”

POL2: “Eigentlich?”

Ich: “Nein.”

POL2: “Haben Sie nun verbotene Gegenstände mit sich oder nicht?”

Ich, wie in der Grundschule: “Nein, ich habe keine verbotenen Gegenstände bei mir.”

POL2: “Und gefährliche?”

Ich: “Ich trage immer ein Messer bei mir.”

POL2: “Zur Selbstverteidigung?”
Fangfrage. Würde ich diese Frage mit “ja” beantworten, so wäre das eine Straftat.

Ich: “Nein, zum Brote schmieren und Sachen schneiden.” (Eine wahrheitsgemäße Antwort)

POL2: “Wo tragen Sie das?”

Ich: “Entweder im Rucksack oder in der Tasche.”

POL2: “Und wo tragen Sie das jetzt?”

Ich: “In der Tasche. Ich kann es auch während der Kontrolle weglegen, wenn dir damit wohler ist.”

POL2: “Sie können es aufgeben, aber ohne es zu öffnen.”

Das Teil hat ne feststehende Klinge, aber eine Scheide. Problem: Diese ist am Gurt befestigt und das Messer nicht ganz so fest darin. Ich hatte Angst, es versehntlich zu öffnen und quasi mit gezückter Klinge in der Hand vor den Bulleriños zu stehen. Ging aber zum Glück gut, ich überreichte Messer samt Scheide an POL2.

POL2 ging damit zu POL3 und sie diskutierten und begutachteten.

Ich: “Sind 11,5cm Länge, ich habe hier auch die Seite vom Händler..”

Ich fange an im Rucksack zu wühlen, da ist ein Ausdruck der Kaufseite inklusiver ’technischer Details’ mit Angabe der Klingenlänge.

POL2: “Lassen se, wir beraten uns hier.”

Ich lasse es.

POL3 hat eine Klingenlängenüberprüfungskarte und überprüft damit die Klingenlänge. 11,5cm.

POL2: “Ich pack Ihnen das - ohne Sie anzufassen - mal in den Rucksack, ja?”
Um mir in den Rucksack zu spähen, frage ich mich? Nunja, nichts verbotenes und auch keine Softair dabei von daher mir bums solang ich’s wieder bekomm.

Ich: “Jaja, kein Problem.”

POL1 reicht mir meinen Ausweis zurück.

POL2: “Ach, ich fühle mich nicht beleidigt.”

Ich bin kurz verwirrt, er deutet auf meine Brust. Achso, der ACAB Patch.

Ich: “Das finde ich gut, das ist ja auch nicht als persönliche Beleidigung gemeint sondern als Kritik der Institution und ihrer Teile.”

Auch das stimmt. Sicher ist es provokant, aber mensch kann eben nicht die Polizei kritisieren ohne die Polizist:innen zu kritisieren ;)

POL2: “Ich bin auch ein eheliches Kind. Da ist Ihnen das nicht gelungen, mich zu beleidigen.”

Eheh, weird. Er wandte sich zum Glück ab sonst hätte ich leicht angeschwipst eine Diskussion über den Begriff “Bastard” angefangen. Was er bedeutete, was er bedeutet und was er nicht mehr bedeutet. Spannende Geschichte dieses Wortes. Aber vermutlich eher weniger geeignet für die Leute die dich gerade kontrollierten.

So watschelte ich nach draußen nur um festzustellen, dass keine Sau da ist und ich auf direktem Wege wieder die Rolltreppe hoch und weiter zum Zoo fuhr.

Ich fragte mich, ob mir der Anlass der Kontrolle je genannt wurde. Nein, dachte ich. Dann fiel’s mir auf. Der Anlass war quasi das “nicht-beleidigt-fühlen” durch einen Aufnäher. Schon ein bisschen lustig und ich weiß nicht ob das als Anlass für eine Personenkontrolle durchgehen würde. Aber egal, die Polizei darf ja eh anlasslos kontrollieren. Ich verbuche das als korrekten Ablauf der Dinge. Warum möchte ich das erzählen? Nunja, als Gegenbeispiel zu der anderen Kontrolle, die völlig aus dem Ruder lief und in der mir Straftaten unterstellt worden waren, die ich nie begangen habe, mit Aussagen, die ich nie getätigt habe. Beides mal waren es Polizist:innen.

Und ich bekomme oft gesagt, dass ich keine Sympathiepunkte erwarten kann, wenn ich mit ACAB-patch rumlaufe. Und auch klar ist, dass die Bullen sich dann auf mich einschießen. Das mag stimmen, und so war das heute ja auch. Und trotzdem gehts mir gut. Klar, nervös war ich wie Sau und sehr erleichtert die Situation hinter mich gebracht zu haben. Aber wenn ich darauf vertrauen könnte, dass Cops sich an die eigenen Regeln halten, dann hätte ich viel weniger Problem damit, dass sie mich nicht mögen. So kann er sich jetzt toll fühlen weil er der Zecke gesagt hat dass er ihren Aufnäher doof und unwirksam findet und ich kann mich toll fühlen ob des peinlichen Spruches seinerseits.

Wir gingen ohne Streit und ohne Krieg auseinander, und ohne Gewalt. Sicherlich nutzen sie Gewalt um ihre Kontrollen und Schikanen durchzuführen. Aber die Situation ist jetzt vorbei, kein andauernder Krieg.

Insofern bin ich froh, dass der junge Polizeimeister ein ‘guter Cop’ in dem Sinne ist, dass er seine Dienstpflicht tut und seine Macht nicht allzusehr missbraucht, um Menschen zu schaden. Es macht ebendoch einen qualitativen Unterschied, wie sich Polizisti verhalten.

August 17, 2021

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