Anarchist Angel's Gedankenwelt

Tagebuch: Trainspotting

Vorwort

Diese Geschichte ist genau so geschehen.


Gestern war ich mit meiner besten Freundin Trainspotten in der Nähe der Yorckbrücken, an der Nord-Süd-Fernbahn in Berlin. Warum haben wir diesen Ort ausgewählt? Nunja, Ticket AB mussten wir nich kaufen und wir hatten nur noch 3 Stunden bis Sonnenuntergang.

So schlugen wir unser Camp an einer der Brücken auf. Will heißen: Rucksack abgestellt, Bier aufgemacht und erstmal ein Foto von meinem Plüschopossum Theresa gemacht. Dann geknipst was so vorbeifährt. Trainspotting ist für mich super entspannend. Es ist aufregend, wenn die Züge kommen und du dir vorher Gedanken gemacht hast wie du sie auf einen schönen Shot kriegst, mit Hintergrund, Lichtstimmung etc.

So haben wir eine Weile geknipst, nichts allzuspektakuläres fuhr uns vor die Linse, aber doch ein paar einfach schöne Baureihen. BR112.1, 143, 445, 442, 401, 402, 403, 411, 412.. das übliche in Berlin und doch nett. Wir haben dann noch die Brücke gewechselt um noch andere Fotos zu kriegen, dazu etwas Musik gehört.

Nun werdet ihr denken “Was, eine Anarchist Angel Story ohne Polizei?” Keine Sorge, dazu kommen wir jetzt. Es bog ein auf die Brücke ein Polizeifahrzeug. Ich sah es fuhr langsamer als der sonst fließende Verkehr und war eines der Bundespolizei. Ich dachte mir, ziemlich sicher kommen die zu uns. Als es rechts abbog äußerte ich diesen Verdacht laut. Und ich sollte recht behalten.

Nachdem sie umdrehten und nebst uns hielten direkt die Frage, “Was machen Sie da?” “Trainspotten. Also Bilder von Zügen.” Die Beamten klärten uns auf, sie häben einen besorgten Bürgeranruf bekommen, dass da zwei Menschen stehen und “Bahnanlagen” fotografierten. Terrorverdacht.

Tja was soll ich da noch sagen. Wir mussten ein bisschen kichern, weil es einfach doch sehr klischeebehaftet ist. Die Beamten glaubten uns zunächst eher nicht, aber ich ließ mich nicht davon abhalten weiter Züge zu fotographieren und zu kommentieren. Die verdammten BR112.1 waren immer “hinten”. Normalerweise fahren Wendezüge immer mit der Lok in einer Himmelsrichtung quasi. Verkehrt der Zug also andersherum ist auch die Lok auf der anderen Zugseite. Aber egal wie wir uns wendeten, die Züge waren immer so gedreht dass die Lok nicht vorn war. Ärgerlich. Hier rettete uns unser Fachwissen über einzelne Baureihen, das wir fröhlichst mit den Beamten teilten und so auch unsere Geschichte glaubhafter wurde.

Unsere Identitäten wurden allerdings überprüft und ich prompt gefragt: “Haben Sie gefährliche Gegenstände dabei?” Ich wollte den Spruch schon immermal bringen und tat es auch ohne zögern: “Zählt ein Opossum als gefährlich?” “Lebendig oder tot?” “Plüsch,” antwortete ich und zeigte das Opossum. Er fands so mittelwitzig, sie lachte. Dann wurde ich zur Durchsuchung gebeten. Seit der Softairgeschichte stehe ich als “Bewaffnete Extremistin” im Fahndungssystem, dabei war ich nie bewaffnet. Solche Einträge werden von PVB allerdings nach Gutdünken erstellt, eine Überprüfung erfolgt nicht. Die zwei dachten jetzt also echt ich hätte vmtl. ne Maschinenpistole im Rucksack und baten, diesen zu durchsuchen. Hatte ich nicht, aber ich hatte auch keine Lust wieder erklären zu müssen warum ich Lockpicks (zum Stimming) und ein Messer (zum Kuchenessen) dabeihabe. Höflich lehnte ich die Anfrage also ab, was außerhalb von Fernbahnhöfen auch möglich ist. Hurrah. Der männliche PVB telefonierte daraufhin mit seinem Chef, vermutlich versuchten sie irgendwas zu erarbeiten wie sie jetzt doch noch den Rucksack durchsuchen könnten, wie ein begründeter Verdacht zustandezubringen wäre etc., nicht dass da doch noch 15kg Sprengstoff und ne MP7 drinsind.Während der Herr telefonierte sprachen wir mit der Kollegin. Über Züge, über die aktuelle Situation in Berlin und am Køpi-Wagenplatz. Dass deswegen die Menschen gerade besorgt seien wegen möglicher “Terrorangriffe”. Für mich nicht nachvollziehbar. Randale kann ich nachvollziehen, aber es gab in meinen Lebzeiten noch nie einen linken Terroranschlag und es gibt auch keine derartigen Drohungen oder sonstwas. Aber das ist halt das von Springer und Co. Gezüchtete Image.

Wir sprachen auch über den PHW “Bewaffnet”, weil er inakkurat ist und sowohl für mich als auch für die Beamten mindestens eine Unannehmlichkeit aber ggf. Auch eine Gefährlichkeit darstellt. Unbewaffnete Personen für bewaffnet zu halten kann zu fatalen Missverständnissen führen. Und es verlängert jede einfache Ausweiskontrolle um ein vielfaches und bindet enorm viele Polizeikräfte, weil am Bahnhof oder so erstmal alle verfügbaren Beamten zur Absicherung kommen müssen und so weiter. Vier Buchstaben: “BEWA”. Vier Buchstaben, die eine vielschichte Gefahr aus dem nichts konstruieren, völlig unabhängig von meinem eigenen Verhalten in der jeweiligen Kontrolle.

Aber die beiden waren dann doch recht nett. Letztendendes bat er mich, vielleicht doch einen Blick – ohne Suchen – hinenwerfen zu dürfen. Der Anfrage kam ich auch netterweise nach: ein Buch, Nähzeug und saures Pflaumenlikör (goiles Zeug!), sonst war nichts zu sehen. Keine Waffen, kein Sprengstoff, nüscht. Da hatte der besorgte Bürger (der uns natürlich nicht ansprach oder so sondern direkt 110 wählte als er uns sah) wohl doch Unrecht.

Sie verabschiedeten sich mit Worten über die Kälte und dass wir nicht zu lange machen sollen, aber das Sonnenlicht schwand eh schon langsam wieder. Danach kam ein Mann auf uns zu “Haben die Cops sich sorgen gemacht?” Wir erzählten ihm die Situation, lachten zusammen und erzählten uns gegenseitig Geschichten von früher, von gestern und von heute.

Jetzt habe ich neue Zugbilder, eine weitere Geschichte zu erzählen und ich weiß durch den Herrn jetzt woher der “Koffertote aus Spandau” kam und was es damit auf sich hatte.

Ach und, eine Baureihe 112.1 richtigherum hab ich doch noch erwischt!

October 13, 2021

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